Deutschland

Lohn weg, und dann? Ungeimpfte Pflegekräfte sind mit unklarer Rechtslage konfrontiert

Die Impfpflicht im Gesundheitswesen ist wenig durchdacht. Steht Freigestellten Arbeitslosengeld zu? Erhalten Entlassene eine Sperre? Anwälte empfehlen, auf keinen Fall selbst zu kündigen. Die Arbeitsagentur lässt viele Fragen offen. Und: Sollte die allgemeine Pflicht kommen, könnte es für Ungeimpfte existenzbedrohend werden.
Lohn weg, und dann? Ungeimpfte Pflegekräfte sind mit unklarer Rechtslage konfrontiertQuelle: Gettyimages.ru © ER Productions Limited

von Susan Bonath

Angst vor Nebenwirkungen, ein unklares Langzeitrisiko, schlechte Erfahrungen im Bekannten- und Familienkreis: Die Gründe, aus denen Menschen eine Impfung mit den in Deutschland bisher nur bedingt zugelassenen Corona-Vakzinen ablehnen, sind vielfältig und meist nachvollziehbar. Dennoch: Betreiber von Kliniken, Pflegeheimen, Arztpraxen und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens müssen ungeimpfte Beschäftigte nach dem 15. März den Gesundheitsämtern melden.

Die Ämter können Beschäftigungsverbote verfügen, müssen es aber nicht. Falls das Verbot ergeht, müsste die Einrichtung Betroffene entweder unbezahlt freistellen oder kündigen. Doch wovon sollen sie im Anschluss leben? Erhalten sie Arbeitslosengeld, droht ihnen eine Sperre? Der Autorin liegt eine interne Weisung der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor, die zwar eines klar stellt, jedoch auch viele Fragen offen lässt und nahelegt: Sollte der Bundestag eine allgemeine Impfpflicht beschließen, wird der Staat diese wohl auch durch den Entzug von Versicherungs- und Sozialleistungen durchsetzen.

BA: Keine Sperre nach Kündigung durch den Betrieb

Laut BA-Weisung zur "einrichtungsbezogenen Immunitätsnachweis-Pflicht" müssen Erwerbslose, die bereits Arbeitslosengeld I oder II erhalten, zunächst keine Sperre oder Sanktionen fürchten, wenn sie eine vom Amt angebotene Stelle ablehnen, für die eine Impfung gegen COVID-19 vorgeschrieben ist. Demnach gilt die Ablehnung als "wichtiger Grund", solange die Impfpflicht nur berufsbezogen gilt.

Welcher Grund wichtig genug ist, um ein Stellenangebot ablehnen zu dürfen, ist im Gesetz nicht klar formuliert. Sachbearbeiter müssen dies immer im Einzelfall entscheiden. Gleiches gilt auch dann, wenn eine Einrichtung Beschäftigten kündigt, weil diese sich nicht impfen lassen wollen. Mit Weisungen stellt die BA gegebenenfalls klar, wie ein Gesetz ausgelegt werden soll. Zur Ablehnung von Jobs mit Impfpflicht sowie zu Kündigungen wegen der Ablehnung der COVID-19-Impfungen äußert sich die Behörde recht klar: 

"Die Ablehnung einer Impfung wird regelmäßig als wichtiger Grund anerkannt, solange keine allgemeine gesetzliche Impfpflicht eingeführt ist."

Unklare Kann-Regel: Besser nicht selbst kündigen

Etwas schwammiger formuliert sie es für Betroffene, die wegen der Impfpflicht selbst kündigen. Normalerweise droht in einem solchen Fall immer eine dreimonatige Sperre des Arbeitslosengeldes, solange Betroffene ihrer Arbeitsagentur oder dem Jobcenter keinen "wichtigen Grund" glaubhaft machen können. Hier hält sich die BA an eine vage Kann-Regel. Die letzte Entscheidungsgewalt oblässt sie damit weiterhin dem Sachbearbeiter:

"Dabei gilt, dass die Ablehnung einer Impfung aktuell und auch über den 14.03.2022 hinaus einen wichtigen Grund darstellen kann, solange eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht nicht eingeführt ist."

Ein Sachbearbeiter kann den Grund demnach als "wichtig" anerkennen und von einer Sperre oder Sanktion absehen – er muss es aber nicht. Die gleiche Praxis wird seit Jahren mit Hartz-IV-Beziehern exekutiert, alles hängt davon ab, ob Arbeitsvermittler den Grund für eine "Pflichtverletzung" als "wichtig" bewerten.

So warnen auch Rechtsanwälte, auf keinen Fall selbst zu kündigen, sofern kein nahtloser Übergang in einen anderen Job möglich ist – zum Beispiel Michael Busch aus Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern. Dem Nordkurier sagte der Anwalt:

"Wer selbst kündigt, muss unter Umständen mit einer Sperre von Seiten der Arbeitsagentur für die Dauer von bis zu drei Monaten rechnen."

Unbezahlt freigestellt – und dann?

Doch dann könnten manche Betroffene bald vor einem neuen Problem stehen: Wovon sollen sie leben, wenn das Gesundheitsamt ein Betretungsverbot verhängt, der Arbeiter aber nicht kündigen will und die Betreffenden ohne Lohnfortzahlung freistellt? Letzteres bedeutet nicht nur den totalen Lohnausfall. Betroffene müssen zusätzlich ihrer Pflicht zur Krankenversicherung nachkommen und selbst Beiträge an die Kasse überweisen.

Im Gesetz ist von Beschäftigungslosigkeit die Rede, nicht aber davon, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt. Theoretisch müssten per amtlicher Verfügung von der Arbeit Freigestellte einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I oder II haben. Schließlich steht ihre Existenz auf dem Spiel. So sieht das der Bayreuther Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht, Stephan Rixen. Dem Bayerischen Rundfunk sagte er, Freigestellte seien mit Arbeitslosen gleichzustellen. Sie müssten sich dafür nur rechtzeitig bei der zuständigen Arbeitsagentur anmelden.

Hier taucht ein neues Problem auf: Leistungen gibt es nur dann, wenn sich die Freigestellten dem Arbeitsmarkt mindestens 15 Stunden pro Woche zur Verfügung stellen. Sie müssen sich also auf alle möglichen Stellen bewerben, die ihnen das Amt anbietet und zu denen sie körperlich und geistig in der Lage sind. So will es das Sozialgesetzbuch. Allerdings haben sie in dem Fall bereits einen gültigen Arbeitsvertrag, ihre Einrichtung oder ihr Unternehmen hätte dabei dann ein Wort mitzureden. Auch könnte das Gesundheitsamt das Beschäftigungsverbot jederzeit wieder aufheben, etwa wenn eine gravierende Notlage in der Pflege droht. Das heißt: Bekommen die Betroffenen eine neue Stelle, müssen sie kündigen und vermutlich eine Kündigungsfrist einhalten. Sie wären dann also gar nicht sofort verfügbar.

Einen Ausweg aus dem Dilemma hat die Bundesagentur für Arbeit offenbar noch nicht parat. Eine entsprechende Anfrage an die BA vom Donnerstag ließ die Bundesbehörde bis Freitagmittag unbeantwortet. Die Autorin wollte wissen, an welche Regeln sich Betroffene denn nun halten sollen und was ihnen wann genau zusteht.

Druckmittel Existenzbedrohung

Eines wird in der internen BA-Weisung indes sehr deutlich: Sollte der Bundestag eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen verabschieden, so wie es die mehrfach verkündete Absicht von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist, könnte es Millionen Lohnabhängigen, die sich etwa wegen schlechter Erfahrungen oder aus Angst vor Nebenwirkungen nicht impfen lassen wollen, existenziell an den Kragen gehen. Denn eine gesetzliche Pflicht würde wohl nicht nur durch öffentliche Kontrollen und Bußgelder, die bei Nichtzahlung Pfändungen und sogar Erzwingungshaft nach sich ziehen können, durchgesetzt.

So könnte per Gesetz jede Unternehmenstätigkeit sowie jede lohnabhängige Beschäftigung von einem Impfnachweis abhängig gemacht werden. Können Betroffene dann nicht arbeiten, stünden sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Dies wäre aber Voraussetzung für einen Leistungsbezug. Somit hätten Betroffene schon nach jetziger Rechtslage weder Anspruch auf Arbeitslosengeld I noch auf Hartz IV.

Die Ampel-Koalition hält offenbar trotz der vielen ungeklärten Fragen an ihren Plänen für eine allgemeine Impfpflicht fest. Dabei mehrt sich auch aus der Ärzteschaft unter Vertretern, die bisherige Maßnahmen kaum kritisierten, die Skepsis. Das ist inzwischen auch den bisher meist der Politik zuredenden öffentlich-rechtlichen Medien aufgefallen. Die Tagesschau rügte, dass die ansteckende Omikron-Variante des Coronavirus den Effekt der Impfungen minimiere und eine Pflicht nicht rechtfertige. Auch der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, hatte Widerstand gegen eine allgemeine Impfpflicht angekündigt. Den Medien sagte er, man werde Patienten nicht gegen ihren Willen impfen. Dies sei nicht Aufgabe von Ärzten.

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Information:

Sicherheit und Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe sind umstrittene Themen. Zahlreiche Experten in Wissenschaft, Politik und Medien schätzen diese als sicher und effektiv ein, da sie das Risiko einer schweren COVID-19-Erkrankung weitgehend verhindern und die Vorteile einer Corona-Impfung die Risiken und Nebenwirkungen überwiegen. Langzeitnebenwirkungen der Impfungen sind generell nicht bekannt. Auch Risiken wie der ADE-Effekt (antibody-dependent enhancement, auf English: infektionsverstärkende Antikörper) wurden bisher bei weltweit Milliarden verabreichter Impfstoff-Dosen nicht beobachtet. Auch, dass Gensequenzen von beispielsweise mRNA-Vakzinen in die menschliche DNA eingebaut werden, gilt in Fachkreisen als ausgeschlossen. Stellungnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der bundesdeutschen Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) lassen sich hier und hier nachlesen.

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